Lehrmeister Schmerz

Er war grausam, dieser Schmerz der Knochenhautentzündung mit dem Wissen einer chronischen Hüftarthrose. Keinen Meter ohne Schmerzen gehen zu können und sich bei jedem Schritt an der Wand festzuhalten.

Festhalten durfte ich nun – um eine Besserung zu erreichen – an meinem alten, schmerzfreien, Leben nicht mehr. Alles, jeder Schritt und jede Handlung musste neu überdacht werden. Dieses zwang mich zu einem bewußten Alltag und einem hinterfragten Lebensstil. Nicht einfach, unerwünscht – aber sinnvoll.

Jeder Schritt den ich, nachdem die Medikamente und Spritzen mir leichte Linderung gegeben hatten, musste nun bewußt ausgeführt werden. Zum ersten um mich so schmerzlos wie möglich zu bewegen, zum zweiten um mir meine Schonhaltung abzugewöhnen und zum dritten – ganz wichtigen – mir den jahrelangen falschen Gang abzugewöhnen. Bei Sichtung meiner Schuhe war mir aufgefallen, dass diese einseitig abgelaufen waren. Somit klar, dass ich schon über einen sehr, sehr langen Zeitraum (vermutlich bedingt durch die seit Jahren vorhandenen Rückenschmerzen) einen falschen Gang mein eigen nennen durfte.

Erschwerend kam hinzu, dass ich bedingt durch die Schmerzangst keinen falschen Schritt unternehmen wollte und somit fast ständig auf den Boden gesehen habe. Super, zum ersten schon wieder eine falsche Haltung und zum zweiten für die Psyche auch negativ. Ich war es zuvor gewöhnt, mit entgegenkommenden Menschen ins Gesicht zu sehen. Das war mir nicht mehr möglich mit dem Blick auf den Boden. Somit fühlte ich mich auch wie ein Mensch ohne Rückrat. Wie eine-/r der/die anderen nicht mehr „ins Gesicht sehen kann“ und sich dadurch noch kleiner und auffälliger machte. In Verbindung mit dem behinderten Gang eine Kombination, die Menschen wie mich immer kleiner und buckeliger werden lässt.

Der Alltag musste viel zeitauwendiger gestaltet werden. Zum Wäsche aufhängen benötigte ich die dreifache Zeit. So wie früher den Wäschekorb zu bepacken ging nicht mehr: ich musste mich ja an der Wand abstützen und konnte nur in der anderen Hand einige Wäschestücke halten. Beim Aufhängen der Wäsche folgte jedem hinunterfallen einer Klammer böses „Geschimpfe“, denn das Bücken nach der Klammer tat ja unsagbar weh. Somit mussten auch diese Aktionen bewußt ausgeführt werden, damit eben nicht die Wäscheklammer zu Boden fällt.

Als das Autofahren und Einkaufen wieder möglich war bedeutete das ebenso ein vielfach höheres Zeitaufkommen als zuvor, es war mir nicht mehr möglich in jede Hand eine schwere Einkaufstasche zu nehmen – sondern nur eine Tasche pro Gang, und diese bitte auch noch recht leicht…..