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Demenz unterschätzt für Pflege zuhause

Hätte ich gewußt, was auf mich zukommt, ich hätte es mir zum Selbstschutz nicht antun dürfen. Über drei Tage Urlaub bei mir konnte meine Mutter doch durch viel (inhaltsloses) Gerede manches kaschieren. Oftmals war sie drei Tage hier bevor ich mich entschloss sie bei mir zu pflegen und aus dem Heim zu holen.

Allerdings ist der Stand der, dass sie nur den Antrieb hat zu laufen um an Essen zu gelangen. Für alles andere, was es geben könnte, gibt es von ihrer Seite kein Interesse.

Sie stürzte kam für ein paar Tage ins Krankenhaus und war einige Zeit inkontinent (ich aber musste meinen Arbeitsalltag dennoch zu 100 % über 40 Stunden die Woche bewältigen). Gelassen ließ sie alles in die Hose gehen. Mittlerweile erkennt sie nun manchmal wenn sie auf die Toilette muss, ist jedoch nicht mehr in der Lage die Vorgänge alle durchzuführen geschweige denn, sich die Hände zu waschen.

Durch die Inkontinenz und die notwendigen Einlagen hat sich ein Pilz entwickelt, den ich nun mehrfach am Tag behandeln muss. Ein zeitaufwendiges Unterfangen weil die Frau erst ins Bett gebracht werden muss, zum öffnen der Beine bewegt werden muss, damit ich waschen und abtupfen kann. Dann muss noch die Creme angebracht werden und die Dame dann wieder aus dem Bett transferiert werden.

Dem Pflegedienst (bestimmt auch demnächst dem MDK) erzählt sie, dass sie alles alleine kann, und verweigert Haare waschen und Zähne putzen. Wobei sie im Regelfall keine 2 m ohne Pause gehen kann und sich nicht einmal merken kann ob sie Zähne geputzt hat oder nicht.

Auch ist ihr Hirn nicht mehr in der Lage Bezeichnungen (Nektarine, Wurstsorten ect.) zuzuordnen und gibt Lapidarantworten, die im Gegensatz zu den Handlungen stehen. Sinnlos also zu fragen „Willst Du eine Nektarine?“ Sie sagt „Nein danke“ und schlingt sie doch hinunter wenn sie diese geschnitten und portionsweise vor sich stehen hat.

Eßverhalten bei Demenz

Es ist ein Horror zu versuchen, den Heißhunger oder die Antriebslosigkeit eines Dementen in Sachen Nahrung einzuschätzen bzw. entsprechend zu reagieren.

Wichtig ist die Trinkmenge – mindestens ein Liter – was meine Mutter jedoch nicht möchte. Somit muss ich regelmässig ihre Teetasse (sie trinkt nur Tee, was beim ambulanten Pflegedienst nicht ankommt – es wird ihr immer wieder Mineralwasser oder Apfelsaftschorle eingeschänkt, welches sie nicht trinkt) auffüllen. Ergänzend stelle ich ihr jede Menge Obst – mundfertig – meistens als Obstsalat hin, auch hier kommt wieder Flüssigkeit auf sie zu, und natürlich Vitamine und Ballaststoffe.

Ich höre zig mal am Tag den Satz „ich esse jetzt so wenig“, der nicht der Tatsache entspricht. Die Mengen/Kalorien liegen oftmals bei der sitzenden Frau, die sich kaum bewegt, in dem Bereich von mir, die voll berufstätig ist und den Haushalt schmeisst. Sie aber bildet es sich ein und somit ist jedes Gespräch darüber unnütz und würde nur zu Misstimmungen führen.

Auch die Frage nach Hunger kann ich mir sparen. Zum ersten kommt „ich esse ja so wenig“ und stelle ich etwas auf den Tisch, wird es im Regelfall doch sofort verschlungen. Blieb beim Mittagessen viel übrig ging ich davon aus, dass sie derzeit keinen weiteren Hunger mehr hat. In meiner Naivität habe ich dann beispielsweise Obst auf den Tisch gestellt, welches für die kommenden Stunden sein sollte. Aber falsch gedacht …. ruck zuck, als wäre sie am verhungern, wurde das Obst verdrückt während die Kartoffeln gerade noch „zu viel waren“.

Das Gefühl der Demenzkranken bei Hunger/Durst oder Vorlieben für Speisen scheint des öfteren mehr als gestört zu sein und der Angehörige muss planen und entsprechend servieren. Es bedeutet auch selber der Müllschlücker zu sein, wenn der Hunger oder die Vorliebe anders ist als das, was auf dem Teller liegt. Denn, wie gesagt, kommunikativ erfragen ist nicht mehr möglich weil meine Mutter nicht mehr versteht was ich sie Frage. Sie liebte Krakauer Wurst und weiß heute nicht einmal mehr was das ist und schaut mich mit großen Augen an…..

„Willst Du Petersilie auf die Kartoffeln?“ „Nein,“ ist die Antwort – gegessen wurden die Petersiliekräuter dennoch. „Willst Du einen Pflaumenkuchen?“ „Igitt,“ war die Antwort – und wie schnell der Kuchen verschlungen war ….. Die Worte und Bezeichnungen sind für sie nicht mehr einzuschätzen und es kommen Standardantworten, die substanzlos sind. Hier gilt nur testen und aus dem Wissen der Vergangenheit schöpfen.

Wobei: die Vorlieben und Geschmäcker von Demenzkranken verändern sich im Laufe der Krankheit. Oftmals kommt jetzt eine Vorliebe für Süßes zu Tragen.